Interview mit Martin Wilming

Interview: M. Thesen (DE), Member of the Editorial Committee


Martin Wilming ist Mitglied der epi-Delegation im Standing Advisory Committe before the EPO (SACEPO), und zwar in den Arbeitsgruppen Working Party on Rules (WP/R) und Working Party on Guidelines (WP/G). Er ist Partner der Kanzlei Hepp Wenger Ryffel in der Schweiz und betreibt einen Blog über Patentstreitfälle; www.patentlitigation.ch.

In seiner Freizeit widmet er sich der Photographie und ist begeisterter Velofahrer.

Martin Wilmingepi-Information: Herr Wilming, erzählen Sie doch mal ein paar Dinge zur Arbeit an den Richtlinien!

Martin Wilming: Die Richtlinien werden sehr regelmäßig überarbeitet, und eine Arbeitsgruppe des epi liefert dem EPA hierbei wertvollen und auch sehr willkommenen Input. Seit 2020 wird sogar mit einer öffentlichen Konsultation systematisch Feedback der Nutzer eingeholt – so auch in diesem Jahr wieder, bis voraussichtlich 12. April 2021. Da gilt es stets, in recht kurzer Zeit ziemlich viele Änderungen zu sichten und kritisch zu hinterfragen.

epi-Information: Inwiefern ist diese Arbeit relevant für unsere Praxis?

Martin Wilming: Das ist keine Arbeit im Elfenbeinturm. Die Richtlinien sind für erstinstanzliche Verfahren das Maß der Dinge. Korrekte und umfassende Richtlinien schaffen Rechtssicherheit: Nutzer dürfen darauf vertrauen, dass die erstinstanzlichen Verfahren gemäß diesen Richtlinien ablaufen. Gegen die Richtlinien zu argumentieren, ist hingegen kaum je erfolgreich. Rechtsfortbildung, in Abweichung von den Richtlinien, ist Sache der Beschwerdekammern.

epi-Information: Bitte nennen Sie uns doch ein paar Beispiele für Punkte, in denen Sie als epi-Vertreter Einfluss nahmen oder nehmen.

Martin Wilming: Da fallen mir spontan zwei Punkte ein, die mir letztens am Herzen gelegen haben und in denen wir etwas bewegen konnten.

  1. In E-XII, 7.1 betreffend Abhilfe ist vor ein paar Jahren ohne grosses Aufsehen der Halbsatz gestrichen worden, dass Abhilfe auch möglich ist, wenn alle Einsprechenden die Einsprüche zurückgezogen haben. Das war auch tatsächlich mit einer Praxisänderung verbunden: Die ersten Instanzen haben in solchen Fällen nicht mehr abgeholfen. Mittlerweile hat eine Beschwerdekammer aber entschieden, dass das ein schwerwiegender Verfahrensfehler ist (T1558/18). Die Guidelines wurden nun wieder entsprechend geändert.

  2. in G-II, 4.2.1.1 geht es darum, was ein chirurgisches Verfahren ist. Abgesehen vom Wortlaut der G1/07 waren dort sehr lange nur Beispiele angeführt, die als chirurgisch anzusehen sind. Das war bei Grenzfällen in der Praxis nicht sehr hilfreich. Mittlerweile wurde ein Beispiel aufgenommen aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (T2699/17), das als nicht chirurgisch qualifiziert. Die Grenze wird somit (hoffentlich) klarer.


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