Abstract: In recent years, new clinical transparency rules were introduced by authorities around the world (including Europe and the US) and also self-imposed by pharmaceutical companies. They require the early publication that a clinical trial is conducted long before any clinical trial results become available. Accordingly, there is a tension between the regulatory requirement of posting clinical trials and the associated prior art effect, and the patentability requirement of including respective clinical data in the original application to support enablement and inventive step. Are the new clinical trial transparency rules a deterrent for innovation? An applicant may indeed have difficulties to secure patent protection for inventions related to the clinical trial, whether or not a patent application is filed before or after the registration of the clinical trial. The following review focuses on the patenting situation in Europe and discusses possible filing strategies to approach the obstacles.


Gefährdet die neue Transparenz bei klinischen Studien den Patentschutz von Innovationen?

Lorenz Kallenbach (DE) & Marco Vallazza (DE)
Deutsche und Europäische Patentanwälte


1 EINLEITUNG

In den letzten Jahren wurden weltweit neue Transparenzregeln sowohl von staatlicher Seite als auch selbstverpflichtend durch Unternehmen eingeführt. Im Zuge dessen werden klinische Studiendesigns frühzeitig registriert und bereits kurz danach publiziert, d.h. bevor klinische Ergebnisse vorliegen. Dies führt zu patentrechtlichen Schwierigkeiten. Da es nicht mehr möglich ist, die Ergebnisse einer klinischen Studie in eine Patentanmeldung aufzunehmen, ohne dass die Veröffentlichung über die Durchführung der klinischen Studie der Anmeldung als Stand der Technik entgegensteht, wird die Wahl eines geeigneten Anmeldezeitpunkt zur Herausforderung. Im Folgenden wird näher beleuchtet, welche patentrechtlichen Konsequenzen eine Einreichung der europäischen Patentanmeldung vor bzw. nach der Veröffentlichung der Studienregistrierung haben kann. Insbesondere wird auf zwei Arten von Patentansprüchen eingegangen, die im Hinblick auf einen potenziell schutzwürdigen Gegenstand klinischer Studien von besonderer Relevanz sind: medizinische Verwendungsansprüche sowie Produktansprüche, die den in der klinischen Studie verwendeten Wirkstoff betreffen.

2 EINREICHUNG EINER EUROPÄISCHEN PATENTANMELDUNG BETREFFEND DEN GEGENSTAND EINER KLINISCHEN STUDIE VOR DER STUDIENREGISTRIERUNG

2.1 Offenbarung

2.1.1 Medizinischer Verwendungsanspruch

Gemäß T 609/02 ist die Erzielung der beanspruchten therapeutischen Wirkung bei einem medizinischen Verwendungsanspruch als funktionales Merkmal des Anspruchs zu betrachten. Somit muss die Eignung des Einzelwirkstoffs bzw. Kombinationspräparates für die medizinische Verwendung in der ursprünglichen Anmeldung plausibel beschrieben sein, um die Erfordernisse von Art. 83 EPÜ zu erfüllen (T 1823/11, siehe Gründe 3.2.1).

In früheren Entscheidungen der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (EPA) wurde eine ausreichende Offenbarung der medizinischen Verwendung auch ohne jegliche (prä-)klinische Daten in der Ursprungsanmeldung akzeptiert, sofern die positive Kenntnis des Fachmanns über die medizinische Eignung gegeben ist, wobei auf den Stand der Technik - ggf. i.V.m. nachveröffentlichten Beweismitteln - verwiesen werden kann (T 1364/08). Auch wenn diese Grundsätze weiterhin Bestand haben, erscheint es zunehmend schwierig, das Erfordernis der Glaubhaftmachung der medizinischen Verwendung ohne (prä-)klinische Daten in der Ursprungsanmeldung zu erfüllen. Beispielhaft hierfür stehen die jüngst ergangenen Entscheidungen T 488/16 (hier wurde die Glaubhaftmachung unter Art. 56 EPÜ behandelt, da es sich um einen Produktanspruch handelte; jedoch sollten die Erfordernisse der Glaubhaftmachung identisch zu denen unter Art. 83 EPÜ sein) und T 1868/16.

In der Regel liegen entsprechende präklinische Daten für die medizinische Verwendung von Einzelwirkstoffen vor, die die Glaubhaftmachung der medizinischen Wirksamkeit in entsprechenden Anmeldungen, die vor der Studienregistrierung eingereicht werden, stützen. Somit wird Art. 83 EPÜ für die Monotherapie regelmäßig eine überwindbare Hürde darstellen, selbst wenn man den strengeren Maßstab anlegt, der (prä-)klinische Daten in der Ursprungsanmeldung verlangt.

Im Unterschied zum Einzelwirkstoff gestaltet sich das Bereitstellen präklinischer Daten für Kombinationswirkstoffe schwierig. In der Praxis fehlt es z.B. an aussagekräftigen Modellsystemen, die kombinatorische Effekte belegen, oder die Präklinik wird aus verschiedenen Gründen übersprungen und stattdessen direkt in eine klinische Phase-Ib/II-Studie eingestiegen (z.B. aufgrund eines Zeitvorteils oder vorhandener Literaturdaten zum Klasseneffekt).

Trotz des möglichen Fehlens präklinischer Daten, würde die ausreichende Offenbarung im Falle der medizinischen Verwendung von Kombinationen keine allzu große Hürde darstellen, wenn man dem Gedanken der T 1616/09 folgt, dass die Kombinationstherapie bereits dadurch glaubhaft gemacht ist, dass die entsprechende Verwendung für zumindest einen enthaltenen Wirkstoff bekannt oder glaubhaft ist (siehe Gründe 6.2.2).

Die neuere Entscheidung T 2506/12 wirft die Frage auf, ob die Überlegungen, die aus der T 1616/09 folgen, nicht zu kurz fassen. Es sei einleitend angemerkt, dass die Entscheidung T 2506/12 die ausreichende Offenbarung des Standes der Technik betrifft, wobei sich deren Untersuchung nicht von der Untersuchung der ausreichenden Offenbarung der ursprünglichen Patentanmeldung unterscheiden sollte, wenn der postulierte einheitliche Standard der Entscheidung T 1437/07 Anwendung findet (siehe Gründe 25).

Gemäß der Entscheidung T 2506/12 umfasst eine therapeutische Behandlung nicht nur die Effektivität der Behandlung, sondern auch eine akzeptable Sicherheit (siehe Gründe 2.8). Zunächst bestätigte die Kammer, dass von der bekannten Effektivität der Einzelwirkstoffe auf eine effektive Behandlung durch das Kombinationspräparat zu schließen ist (siehe Gründe 2.11). Obwohl weiterhin bekannt war, dass der zugelassene Wirkstoff PLD akzeptable Sicherheit zeigt und auch für den weiteren Wirkstoff ET-743 keine Sicherheitsbedenken in den vorläufigen Ergebnissen einer Phase-II-Studie diskutiert wurden (siehe Gründe 2.9 und 2.10), war die Kammer der Auffassung, dass die Sicherheit des Kombinationspräparats hierdurch nicht bereits plausibel erscheint (siehe Gründe 2.12). Interessant ist, dass die regulatorischen Behörden, die die Durchführung der in der Entscheidung erwähnten Phase-I-Studie genehmigt hatten, offenbar nicht solch große Sicherheitsbedenken bezüglich des Kombinationspräparats hatten, um die Studiendurchführung nicht abzusegnen.

Wenn man der Einschätzung der Kammer in dieser Entscheidung folgt, wäre die therapeutische Behandlung nicht nur mittels eines Kombinationswirkstoffs, sondern auch mittels eines Einzelwirkstoffs nicht ausreichend offenbart, wenn es an entsprechenden Daten fehlt, die die Sicherheit der Therapie glaubhaft machen. Ebenso wenig könnte man sich, wenn man die Patentanmeldung bereits vor der Veröffentlichung der Durchführung einer Phase-I-Studie einreicht, in der Ursprungsoffenbarung auf die Ergebnisse einer solchen Studie stützen, obwohl es in einer Phase-I-Studie genau darum geht, die Sicherheit eines Wirkstoffs zu untersuchen (T 2506/12, Gründe 2.12). Somit müsste man sich z.B. auf präklinische Daten, die Wirkmechanismen, die keine überlappende Toxizität erwarten lassen, Sicherheitsdaten von strukturell/mechanistisch-ähnlichen Molekülen oder klinische Daten einer anderen Indikation stützen, die - im Idealfall - Einzug in die Ursprungsoffenbarung finden sollten.

Es ist momentan noch unklar, in welche Richtung sich die Rechtsprechung entwickelt, da mit T 1616/09 und T 2506/12 zwei einzelne, gegenteilige Entscheidungen vorliegen.

2.1.2 Auf den Wirkstoff gerichteter Produktanspruch

Für einen Produktanspruch, unabhängig, ob dieser ein Mono- oder Kombinationspräparat betrifft, stellt die ausreichende Offenbarung i.d.R. eine niedrige Hürde dar, da es hierfür genügt, dass die Herstellung des Produkts ausreichend offenbart ist und man somit nicht auf die Ergebnisse einer etwaigen klinischen Studie angewiesen ist (T 1616/09, Schlagwort).

2.2 Begründung des Prioritätsrechts

Voraussetzung von Prioritätsrecht und dessen Inanspruchnahme ist die Anmeldung derselben Erfindung (Art. 87(1) EPÜ), was bedeutet, dass die Priorität anzuerkennen ist, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann (G 2/98). Außerdem muss das Prioritätsdokument eine nacharbeitbare Offenbarung enthalten (T 81/87).

Wie durch die Entscheidung T 903/05 bestätigt, sind erfinderische Tätigkeitsüberlegungen für die Prioritätsfrage unerheblich. In dieser Entscheidung waren experimentelle Daten, die laut Einsprechendem für die Glaubhaftmachung der Lösung des technischen Problems erforderlich waren, erst in der Nachanmeldung enthalten. Laut Einsprechendem stand dies der wirksamen Inanspruchnahme der Priorität im Wege. Gemäß der Kammer gibt es jedoch für die wirksame Inanspruchnahme der Priorität keine über die Frage der nacharbeitbaren Offenbarung hinausgehende Erfordernisse, wie beispielsweise das Vorliegen experimenteller Daten in der Prioritätsanmeldung, die glaubhaft machen, dass die Erfindung das technische Problem tatsächlich löst. Wenn dieser Entscheidung gefolgt wird, könnten während des Prioritätsjahres generierte (klinische) Daten die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands der Nachanmeldung stützen, solange dieser bereits ohne solche Daten in der Prioritätsanmeldung ausreichend offenbart ist. Ob der Entscheidung T 903/05 tatsächlich gefolgt wird, ist jedoch fraglich, da es paradox erscheint, dass man unter Wahrung des Prioritätsdatums die Erfindung nachträglich vervollkommnen kann. In diese Richtung deutet auch die Entscheidung T 2165/08, in welcher modifizierte Oligonukleotide als Produkt beansprucht wurden. Hier wurde es aufgrund der Abwesenheit relevanter experimenteller Daten in der Prioritätsanmeldung als nicht glaubhaft angesehen, dass die beanspruchten Oligonukleotide tatsächlich den in der Beschreibung allgemein offenbarten technischen Effekt besitzen. Daher wurden die in der Nachanmeldung beanspruchten Oligonukleotide als in der Prioritätsanmeldung nicht offenbart angesehen und die wirksame Inanspruchnahme der Priorität verneint. Auch wenn die patentrechtliche Bewertung dieser Entscheidung im Hinblick auf die Offenbarung des Anspruchsgegenstands in der Prioritätsanmeldung schwer nachvollziehbar ist, scheint sie den Gedanken zu bestätigen, dass eine Erfindung nicht das Prioritätsdatum genießen und sich gleichzeitig auf einen erst in der Nachanmeldung glaubhaft gemachten Effekt stützen kann. Die wirksame Inanspruchnahme der Priorität ist demnach zweifelhaft, wenn die Prioritätsanmeldung keine Daten enthält, die den Anspruchsgegenstand stützen.

2.3 Neuheit

Neuheit ist im Lichte der nachveröffentlichten Studienregistrierung gegeben, unabhängig davon, ob das Produkt oder dessen medizinische Verwendung beansprucht wird.

2.4 Erfinderische Tätigkeit

2.4.1 Medizinischer Verwendungsanspruch

Auch wenn Daten in der ursprünglichen Anmeldung nicht in jedem Fall notwendig sind, um die erfinderische Tätigkeit von medizinischen Verwendungsansprüchen zu begründen (T 158/96, T 1364/08), werden sie oftmals angebracht sein, ggf. im Nachhinein (T 715/03), um die Lösung des technischen Problems der medizinischen Verwendung glaubhaft zu belegen, insbesondere wenn das technische Problem eine Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik fordert. Beispielsweise dürfte ein neues Dosierungsschema in vielen Fällen sogar klinische Daten benötigen, um eine Verbesserung gegenüber einem bekannten Dosierungsschema zu belegen und nicht als naheliegende Alternative zu gelten.

Das Einreichen der Anmeldung vor Veröffentlichung der Durchführung einer entsprechenden klinischen Studie bringt die Schwierigkeit mit sich, dass etwaige klinische Daten, welche die erfinderische Tätigkeit stützen könnten, zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht vorliegen und auch nicht in allen Fällen nachgereicht werden können. Denn ob die beanspruchte Lösung die Aufgabe tatsächlich löst, d.h. ob der beanspruchte Gegenstand tatsächlich die gewünschte Wirkung erzielt, ist nach T 1329/04 auf der Grundlage der ursprünglichen Offenbarung zu prüfen. Nachträglich veröffentlichte Beweisstücke dafür, dass der beanspruchte Gegenstand die gestellte Aufgabe löst, werden berücksichtigt, wenn anhand der im Patent enthaltenen Offenbarung bereits glaubhaft erscheint, dass die Aufgabe tatsächlich gelöst wird. Ob eine Ursprungsoffenbarung die gestellte Aufgabe glaubhaft löst, ist eine Einzelfallentscheidung.

Die Anforderungen unter Art. 83 EPÜ bezüglich der Glaubhaftmachung der medizinischen Verwendung (siehe Abschnitt 2.1.1) sollten ebenso für die Glaubhaftmachung der gestellten Aufgabe unter Art. 56 EPÜ gelten (T 60/89, siehe Gründe 3.2.5). Hiernach besteht das Risiko, dass das Fehlen entsprechender Daten in der Ursprungsanmeldung, die die Monotherapie (und einen ggf. vorliegenden verbesserten Effekt) stützen, dazu führt, dass das technische Problem nicht glaubhaft gelöst ist. Das Risiko, dass entsprechende Daten nicht nachträglich akzeptiert werden, erscheint besonders hoch, wenn nicht nur Daten für die Monotherapie fehlen, sondern auch keine Wirkungen im Stand der Technik sich schlüssig auf den beanspruchten Gegenstand lesen (T 665/05, T 108/09, T 1760/11).

Bei Kombinationstherapien könnte die Glaubhaftmachung, dass die Aufgabe gelöst ist, eine niedrigere Hürde sein, weil Daten - die für die Kombinationstherapie vor Studienbeginn oft nicht vorliegen - möglicherweise nicht erforderlich sind, um die Lösung des technischen Problems glaubhaft zu machen, solange die medizinische Verwendung der Monopräparate bereits bekannt ist (siehe Abschnitt 2.1.1, T 1616/09, aber: T 2506/12).

Zu untersuchen ist weiterhin, inwiefern eine bekannte Monotherapie auch die Lösung des technischen Problems der Kombinationstherapie glaubhaft macht, die einen verbesserten Effekt gegenüber der Monotherapie betrifft, wie z.B. einen additiven oder gar synergistischen Effekt. Die Entscheidung T 1642/07 deutet darauf hin, dass theoretische Ausführungen zur verstärkten Wirksamkeit und ein prophetisches Beispiel für die Glaubhaftmachung eines additiven Effekts genügen können (zumindest so lange der Stand der Technik an einem solchen Effekt nicht zweifeln lässt) und das technische Problem tatsächlich gelöst worden ist (siehe Gründe 18 und 20-23). Ein verbesserter Effekt wäre damit auch ohne entsprechende Daten in der Ursprungsanmeldung glaubhaft gemacht (als Grundvoraussetzung dafür, diesen Effekt mit weiteren Daten zu untermauern), wenn im Studiendesign der ursprünglichen Anmeldung von einer effektiven Behandlung die Rede ist, insbesondere wenn die Einzelwirkstoffe in derselben Indikation nachweislich therapeutisch aktiv sind.

Womöglich wird diese Faustregel nicht einen synergistischen Effekt des Kombinationswirkstoffs glaubhaft machen. Das wird durch die Entscheidung T 1243/12 bestätigt. In diesem Fall ging es um die therapeutische Behandlung mit einem Kombinationswirkstoff, und der Anmelder stützte sich auf ein nachveröffentlichtes Dokument als Beweismittel für einen synergistischen Effekt des Kombinationswirkstoffs. Da dieser Effekt jedoch nicht in der Ursprungsanmeldung beschrieben war und dementsprechend auch nicht glaubhaft gemacht wurde, entschied die Kammer, dass die Lehre des nachveröffentlichten Dokuments nicht für die Formulierung des technischen Problems herangezogen werden kann (siehe Gründe 8-12).

2.4.2 Auf den Wirkstoff gerichteter Produktanspruch

Bei einem Produktanspruch für einen Einzelwirkstoff gilt für die Glaubhaftmachung eines technischen Effekts das im vorigen Abschnitt 2.4.1 Gesagte ebenso, also, dass (prä-)klinische Daten regelmäßig in der Ursprungsanmeldung erforderlich sind, um die Lösung des technischen Problems glaubhaft zu machen. Ein strenger Maßstab wurde insbesondere in der Entscheidung T 488/16 diktiert. Die Glaubhaftmachung des technischen Effekts betreffend die therapeutische Wirkung wurde hier verneint, obwohl die Ursprungsanmeldung diesen Effekt des Einzelwirkstoffs beschrieb und Assays erwähnt, die dies bestätigt haben, ohne dass die Rohdaten hierzu gezeigt worden sind.

Bei Kombinationswirkstoffen ist der Fall wiederum, analog zu dem bereits Gesagten, regelmäßig anders gelagert. So wurde es in den Entscheidungen T 294/07 und T 45/12 (siehe Gründe 3.4.3) für die Glaubhaftmachung unter Art. 56 EPÜ als ausreichend erachtet, dass die ursprüngliche Anmeldung einen verbesserten Effekt der Kombination beschreibt, ohne dass entsprechende Daten gezeigt worden sind.

Mit der erfinderischen Tätigkeit könnte es allerdings zu Problemen kommen, wenn man vor einer entsprechenden klinischen Studie ohne deren Daten eine Anmeldung einreicht und die Entscheidung T 2506/12 durchgreift (siehe Abschnitt 2.4.1), oder wenn man sich für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit der Kombinationswirkstoffe auf einen synergistischen Effekt beziehen möchte, um gegenüber den Einzelwirkstoffen erfinderisch zu sein (siehe auch Abschnitt 2.4.1 bezüglich der Möglichkeit, Daten nachzureichen).

2.5 Erstes Zwischenfazit

Das Einreichen der Patentanmeldung vor der Veröffentlichung der Studienregistrierung hat zur Folge, dass die ursprüngliche Anmeldung ohne die aus der Studie resultierenden Ergebnisse auskommen muss. Dies kann negative Konsequenzen bezüglich einer ausreichenden Offenbarung und/oder erfinderischen Tätigkeit haben, insbesondere für solche Erfindungen, deren technischer Effekt/Vorteil erst durch klinische Daten ersichtlich wird (z.B. die Sicherheit einer medizinischen Verwendung oder die Überlegenheit eines neuen Dosierungsschemas), und für Erfindungen, die die Präklinik oftmals überspringen (z.B. Kombinationswirkstoffe). Die erfinderische Tätigkeit könnte sich in manchen Fällen durch das Nachreichen solch klinischer Daten stützen lassen, was sich jedoch im Lichte der Rechtsprechung möglicherweise schwierig gestaltet (T 1329/04, T 1791/11, T 1814/11, T 1243/12, T 488/16). Vor diesem Hintergrund befürwortet die Internationale Vereinigung für den Schutz des Geistigen Eigentums (AIPPI) in einem AIPPI Position Paper (The Standing Committee on Pharma and Biotechnology, 13.04.2017) einen weltweit einheitlichen Standard, der nachträgliche Beweismittel für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit erlaubt.

3 Einreichung einer Europäischen Patentanmeldung betreffend den Gegenstand einer klinischen studie nach der Studienregistrierung

3.1 Offenbarung

Im Unterschied zur Patentanmeldung, die vor dieser Veröffentlichung eingereicht wird, kann die nach dieser Veröffentlichung eingereichte Anmeldung insofern besser gestellt sein, als dass sie die klinischen Daten ebenjener Studie in der Ursprungsanmeldung beinhalten könnte, die die ausreichende Offenbarung weiter stützen. Damit ist eine ausreichende Offenbarung gemäß der oben zitierten Kriterien sowohl von Verwendungs- als auch Produktanspruch erleichtert.

3.2 Neuheit

Eine Offenbarung ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann neuheitsschädlich, wenn die darin enthaltene Lehre ausreichend offenbart ist (siehe die in Abschnitt 2.1 dargestellten Prinzipien). Was bedeutet dies im Falle der Vorveröffentlichung der Durchführung einer klinischen Studie?

3.2.1 Medizinischer Verwendungsanspruch

Gemäß etablierter Rechtsprechung ist die therapeutische Verwendung eines Einzelwirkstoffs neu gegenüber einer Vorveröffentlichung über die Durchführung einer entsprechenden klinischen Studie, wenn die Ankündigung einer solchen Studie nicht den Behandlungserfolg explizit oder implizit offenbart (T 158/96, siehe Schlagwort).

In anderen Worten, die im Stand der Technik unzureichende Offenbarung der medizinischen Verwendung des Wirkstoffs führt dazu, dass dieser nicht neuheitsschädlich ist. Weder in T 158/96 (kein allgemein anerkannter, pharmakologischer Test für obsessiv-kompulsive Erkrankungen vorhanden) noch in T 385/07 (kein Zelltyp des beanspruchten Krankheitsbildes verwendet) wurden die vorveröffentlichten präklinischen Daten als ausreichende Offenbarung einer therapeutischen Wirkung angesehen, während in T 715/03 nicht einmal der aufgrund der Durchführung einer Phase-II-Studie implizierte Abschluss einer Phase-I-Studie die therapeutische Wirkung belegte, sondern lediglich Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie.

Das bedeutet nicht, dass grundsätzlich klinische Daten zum Nachweis der therapeutischen Wirkung notwendig wären, um die medizinische Verwendung einer späteren Anmeldung vorwegzunehmen, sondern nur, wenn im Einzelfall die Offenbarung von Präklinik oder eines allgemein anerkannten, erwiesenen Zusammenhangs zwischen den aufgezeigten physiologischen Aktivitäten und der Erkrankung versagt. Insofern ist der EPA-Standard unter Art. 83 EPÜ für die Qualifizierung als Stand der Technik nach Art. 54 EPÜ (T 158/96, T 385/07, T 715/03) und die Bewertung der Patentierbarkeit nach Art. 83 EPÜ (T 1364/08, T 1616/09) identisch (T 1437/07), d.h. in beiden Fällen sind klinische Daten zum Nachweis der therapeutischen Wirkung nicht unbedingt notwendig.

Für die medizinische Verwendung von Kombinationswirkstoffen gilt i.d.R., dass zumindest einer der beiden Einzelwirkstoffe für die entsprechende medizinische Verwendung vorbeschrieben ist. Entsprechend wurde in der Entscheidung T 1616/09 für die ausreichende Offenbarung der beanspruchten medizinischen Verwendung des Kombinationswirkstoffs geschlussfolgert, dass diese aufgrund der vorbeschriebenen medizinischen Verwendung der Einzelwirkstoffe gegeben ist. Dies sollte im Lichte der Entscheidung T 1437/07 analog für den Stand der Technik gelten (siehe Abschnitt 2.1.1 oben). Somit könnte die Vorveröffentlichung über die Durchführung der klinischen Studie mit einer Kombinationstherapie für die beanspruchte Verwendung dieser Kombination neuheitsschädlich sein, ohne dass in der Vorveröffentlichung eine Aussage über den Behandlungserfolg durch die Kombination getroffen wird.

Einen möglichen Ausweg für dieses Dilemma könnte die erwähnte Entscheidung T 2506/12 bieten (siehe Abschnitt 2.1.1), wonach für die ausreichende Offenbarung einer medizinischen Verwendung eines Kombinationswirkstoffs neben der therapeutischen Wirkung auch die Sicherheit der Verwendung glaubhaft zu machen ist, was in dieser Entscheidung durch die zitierten Vorveröffentlichungen nicht plausibel dargelegt war.

Sollte dagegen die Sicherheit der Kombinationstherapie bereits in einer anderen medizinischen Indikation gezeigt worden und somit möglicherweise auch die Sicherheit der in der Studienregistrierung genannten neuen Indikation glaubhaft sein, ließe sich die Neuheit des medizinischen Verwendungsanspruchs ggf. herstellen, indem man dem Anspruch technische Merkmale hinzufügt, die nicht in der Veröffentlichung über die Durchführung der klinischen Studie enthalten und - im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit (siehe Abschnitt 3.3.1) - mit einem technischen Effekt verbunden sind. Dies könnte u.U. eine nähere Spezifikation der medizinischen Verwendung selbst sein (T 1859/08). Von besonderem Interesse sind solche Merkmale, die für die Sicherheit und Wirksamkeit des Wirkstoffs von Bedeutung sind, so dass ein Generika-/Biosimilarhersteller durch die regulatorische Behörde daran gehindert werden könnte, entsprechende Hinweise aus dem Beipackzettel zu entfernen. Bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) darf der Abschnitt zur Sicherheit normalerweise nicht verändert werden, selbst beim Entfernen einer Indikation insgesamt. Somit verhält sich die EMA ähnlich wie die U.S. Food and Drug Administration (FDA) (siehe z.B. die Entscheidung der FDA vom 17.01.2017 bezüglich des Produkts Xyrem, in der bestätigt wird, dass gewisse sicherheitsrelevante Informationen, die in diesem Fall auch patentrechtlich geschützt waren, nicht aus der Packungsbeilage der Generika gestrichen werden dürfen). Ist es beispielsweise notwendig, die Dosierung eines oder beider Wirkstoffe bei einer therapeutischen Kombination anzupassen, kann diese neue Dosierungsanleitung nicht nur in einer Patentanmeldung beansprucht, sondern auch Bestandteil des Abschnitts zur Sicherheit und Wirksamkeit des Wirkstoffs bzw. der Kombination im Beipackzettel werden. Wenn das Label des Generika-/Biosimilarherstellers diese Aussagen über die angepasste Dosierung gemäß den Vorgaben der EMA und FDA enthalten muss, könnte sich der Generikum-/Biosimilarhersteller in einer unentrinnbaren Falle aus regulatorischen und patentrechtlichen Zwängen befinden und müsste den Ablauf des entsprechenden Patents abwarten. Ob, gleichsam wie in den USA, auch in Europa eine solche Erwähnung im Abschnitt zur Sicherheit für die Bejahung der Patentverletzung ausreichend ist, bleibt abzuwarten, da es hierzu - dem Wissen der Autoren nach - noch keine Entscheidung gibt.

3.2.2 Auf den Wirkstoff gerichteter Produktanspruch

Ob ein Produktanspruch durch die Veröffentlichung der Durchführung einer klinischen Studie vorweggenommen ist, hängt davon ab, ob der Wirkstoff in dieser Veröffentlichung oder bereits durch vorherige Publikationen ausreichend offenbart wurde. Wie bereits beschrieben, erfordert dies insbesondere, dass die Herstellung des Wirkstoffs und dessen Struktur ausreichend offenbart sind.

Hieran könnte es beispielsweise mangeln, wenn in der Publikation über die klinische Studie lediglich eine interne Bezeichnung des Wirkstoffs verwendet wird.

In der Praxis wird man eine entsprechende Patentanmeldung, die den Einzelwirkstoff schützen soll, einreichen, bevor klinische Studien durchgeführt werden. Die Fallkonstellation, dass ein Produktanspruch - gerichtet auf einen Einzelwirkstoff - erst nach der Veröffentlichung der Durchführung einer klinischen Studie eingereicht wird, ist also im Normalfall rein hypothetisch.

Bei Kombinationswirkstoffen werden die Strukturen der Einzelwirkstoffe sowie deren Herstellungsmöglichkeiten i.d.R. bekannt sein, wenn eine entsprechende Studie zum Kombinationsprodukt durchgeführt wird, weshalb eine Veröffentlichung hierüber neuheitsschädlich ist.

3.3 Erfinderische Tätigkeit

Für die erfinderische Tätigkeit ist es im Hinblick auf die Veröffentlichung der Durchführung einer klinischen Studie fraglich, ob diese den beanspruchten Gegenstand nahelegt. Es ist insbesondere zu untersuchen, ob der Fachmann in Anbetracht der Lehre aus der vorveröffentlichten Studienregistrierung sich in einer Einbahnstraßen-Situation befindet, eine angemessene Erfolgserwartung hat oder zumindest - einer "Try and see"-Haltung folgend - einen routinemäßigen Versuch unternommen hätte und in naheliegender Weise zum beanspruchten Resultat gelangen würde (T 293/07).

3.3.1 Medizinischer Verwendungsanspruch

In verfügbaren Entscheidungen betreffend klinische Studien von Einzelwirkstoffen als Stand der Technik wurde die erfinderische Tätigkeit entsprechender medizinischer Verwendungsansprüche bejaht, da der Stand der Technik nicht beschrieb, dass tatsächlich eine therapeutische Aktivität vorliegt (T 385/07), und diese Aktivität auch nicht aufgrund der Struktur oder Aktivitätsklasse nahegelegt war (T 715/03). In anderen Fällen (ohne dass hierauf in der Beschwerde weiter explizit eingegangen wurde (T 158/96)) hatte die Prüfungsabteilung die erfinderische Tätigkeit im weiteren Prüfungsverfahren anerkannt. Eine Ausnahme stellt die Entscheidung T 1364/08 dar, in der eine „Try and see"-Situation bejaht wurde. Je nach den Umständen des Einzelfalls könnte die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit von Monotherapien also anders ausfallen.

Bei Kombinationstherapien könnte die Situation allgemein anders aussehen. Wenn überhaupt die Neuheit der medizinischen Verwendung anerkannt wird (siehe Abschnitt 3.2.1), scheint die Vorveröffentlichung über die Durchführung einer diesbezüglichen klinischen Studie auch für die erfinderische Tätigkeit eine nur schwer zu überwindende Hürde darzustellen, da bekannte Monotherapien regelmäßig angemessene Erfolgsaussichten für eine entsprechende Kombinationstherapie liefern werden (T 725/11, T 2506/12 [siehe Gründe 3.7, 3.9, 3.10, 3.12, 3.15], Einspruchsverfahren zu T 1853/16).

Wie bereits in Abschnitt 3.2.1 erwähnt, ließe sich die Patentfähigkeit eines medizinischen Verwendungsanspruchs wiederum allgemein stärken, indem weitere Merkmale in den Anspruch aufgenommen werden, die nicht in der Veröffentlichung über die Durchführung der klinischen Studie genannt (beispielsweise eine Dosierungsanweisung) und mit einem relevanten technischen Effekt verbunden sind.

3.3.2 Auf den Wirkstoff gerichteter Produktanspruch

Im Regelfall ist die erfinderische Tätigkeitsdiskussion für den auf den Wirkstoff gerichteten Produktanspruch nicht relevant, da bereits keine Neuheit besteht, wenn die Patentanmeldung erst nach der Veröffentlichung einer entsprechenden Studienregistrierung eingereicht wird.

3.4 Zweites Zwischenfazit

Die nach der Veröffentlichung über die Durchführung einer entsprechenden klinischen Studie eingereichte Patentanmeldung hat den potentiellen Vorteil, dass sie die Ergebnisse der klinischen Studie beinhalten kann, die die ausreichende Offenbarung und erfinderische Tätigkeit jeweils stützen können. Gleichzeitig hat man den Nachteil, dass diese Veröffentlichung jetzt der Patentanmeldung als Stand der Technik entgegensteht. Dies wird oftmals dazu führen, dass Produktansprüche (egal ob Einzel- oder Kombinationswirkstoff) bereits nicht neu sind und für medizinische Verwendungsansprüche (insbesondere Kombinationstherapien) die erfinderische Tätigkeit eine hohe Hürde darstellt. Als einen Ausweg für die medizinischen Verwendungsansprüche könnte man versuchen, deren Patentfähigkeit zu stärken, indem man dem Anspruch Merkmale hinzufügt, die nicht in der Vorveröffentlichung der Durchführung der klinischen Studie erwähnt werden (ob für die Mono- oder Kombinationstherapie). Hierbei ist darauf zu achten, solche Merkmale zu wählen, die mit einem relevanten technischen Effekt verbunden sind und dem Patentinhaber einen ausreichenden Schutzumfang bieten. Ein solches Merkmal könnte beispielsweise eine Dosierungsanweisung sein, welche regelmäßig einen essentiellen Bestandteil der Zulassung für eine bestimmte Indikation darstellt und nicht von Generika-/Biosimilarherstellern aus der Packungsbeilage entfernt werden kann, ohne die Indikation insgesamt zu entfernen.

4 Schlussfolgerung

Die aktuellen regulatorischen Erfordernisse der frühzeitigen Registrierung und Publikation des Studienprotokolls stellen eine neue Hürde für die Patentierbarkeit von pharmazeutischen Innovationen dar. Wie hoch diese Hürde ausfällt, hängt in Europa maßgeblich vom Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung, vom Anspruchsgegenstand und von der Anspruchskategorie ab.

4.1 Einzelwirkstoffe

Wenn vor der Registrierung eingereicht wird und zumindest präklinische Daten für den Einzelwirkstoff vorhanden sind, kann die Patentierbarkeit des Einzelwirkstoffs (ob Produkt- oder medizinischer Verwendungsanspruch) gegeben sein. Im Hinblick auf die Entscheidung T 2506/12 könnte es für den Zweck der ausreichenden Offenbarung einer medizinischen Verwendung ratsam sein, neben der Glaubhaftmachung der effektiven Behandlung zusätzlich auf die Sicherheit des Wirkstoffs in der Ursprungsanmeldung einzugehen und beispielsweise bei einer Anmeldung, die auf die zweite medizinische Indikation gerichtet ist, auf klinische Daten der ersten medizinischen Verwendung zu verweisen.

Fehlen dagegen solche (prä-)klinischen Daten, könnte man das Einreichen einer auf die Monotherapie-gerichteten Patentanmeldung aufschieben, um die entsprechenden Ergebnisse der klinischen Studie in die Ursprungsanmeldung aufzunehmen. Auch wenn man damit in Kauf nimmt, dass die Studienregistrierung zum Stand der Technik für solch eine Anmeldung wird, scheint die erfinderische Tätigkeit gegenüber dieser Veröffentlichung zumindest für die medizinische Verwendung des Einzelwirkstoffs in vielen Fällen eine überwindbare Hürde (umso mehr, wenn man der medizinischen Verwendung weitere Merkmale hinzufügt, die nicht in der Veröffentlichung der klinischen Studie genannt werden).

Schließlich könnte man für die Monotherapie auch eine Doppelstrategie erwägen: eine erste Einreichung vor der Studienregistrierung, gefolgt von einer späteren Einreichung, die die Daten aus der klinischen Studie umfasst. Für den Fall, dass bereits die erste Anmeldung als ausreichend offenbart gilt, würde ein Einreichungsdatum vor Studienregistrierung gesichert und die Studienregistrierung somit nicht für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit relevant. Die zweite Anmeldung könnte fallen gelassen werden, sofern ihr Gegenstand nicht über die erste Anmeldung hinausgeht. Wenn die erste Anmeldung jedoch als nicht ausreichend offenbart gilt, wäre man mit der zweiten Anmeldung im Hinblick auf die ausreichende Offenbarung besser gestellt, da man auf die Daten der klinischen Studie zurückgreifen kann. Um die Patentfähigkeit der zweiten Anmeldung nicht zu gefährden, ist bei dieser Strategie zu beachten, dass vorzugsweise die zweite Anmeldung vor Veröffentlichung der ersten Anmeldung eingereicht wird (wenn die erste Anmeldung als nicht ausreichend offenbart gilt, wäre sie auch nicht für die Neuheit der zweiten Anmeldung nach Art. 54(3) EPÜ relevant) oder - sofern die zweite Anmeldung erst nach Veröffentlichung der ersten Anmeldung eingereicht wird, weil die klinischen Daten vorher nicht verfügbar sind - die erste Anmeldung den Stand der Technik nicht weiter anreichert. Folglich ist bereits zum Zeitpunkt der ersten Anmeldung zu berücksichtigen, wann mit klinischen Daten für die zweite Anmeldung zu rechnen ist, um den Offenbarungsgehalt der ersten Anmeldung entsprechend anzupassen.

4.2 Kombinationswirkstoffe

Anders gestaltet sich die Situation bei Kombinationswirkstoffen, die gerade in der Krebsbehandlung von steigendem Interesse sind, um Tumorzellen die Fluchtmöglichkeiten abzuscheiden. Wird hierbei das körpereigne Immunsystem adressiert, wie es im aufstrebenden Gebiet der Immunonkologie der Fall ist, sind oftmals keine geeigneten Modellsysteme zur Hand, um die Immunantwort in der Präklinik widerzuspiegeln. Wird vor der Registrierung der klinischen Kombinationsstudie eine Patentanmeldung eingereicht, könnte trotzdem die Glaubhaftmachung der medizinischen Verwendung gegeben sein, wenn die entsprechende Therapie mit einem der Einzelwirkstoffe bereits bekannt ist. Im Lichte der Entscheidung T 2506/12 sollte die Patentanmeldung - neben der Effektivität - auch die Sicherheit der Therapie diskutieren, beispielsweise, indem man beschreibt, dass aufgrund der Wirkmechanismen der Monopräparate nicht mit einer überlappenden Toxizität zu rechnen ist. Wird auf diese Weise die ausreichende Offenbarung der medizinischen Verwendung glaubhaft gemacht und gezeigt, dass der beanspruchte Gegenstand die gestellte Aufgabe löst, ist das Nachreichen von Daten für die erfinderische Tätigkeit erleichtert. In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen, dass sich die AIPPI für einen großzügigeren Umgang mit nachveröffentlichten Beweismitteln für erfinderische Tätigkeitsüberlegungen ausspricht (siehe AIPPI Position Paper, Conclusions, The Standing Committee on Pharma and Biotechnology, 13.04.2017).

Das Einreichen einer auf Kombinationstherapie oder -produkt gerichteten Anmeldung nach Studienregistrierung erscheint dagegen nicht vielversprechend, selbst wenn sich entsprechende klinische Daten in der Patentanmeldung finden. Wenn es überhaupt gelingt, die Neuheit gegenüber der Publikation über die Durchführung der klinischen Studie herzustellen, bleibt die erfinderische Tätigkeit in den meisten Fällen angreifbar, weil diese Publikation als Stand der Technik eine angemessene Erfolgserwartung hervorrufen kann (wiederum davon ausgehend, dass zumindest einer der Einzelwirkstoffe für die entsprechende medizinische Verwendung vorbeschrieben ist).

Wird die Anmeldung, die auf die medizinische Verwendung des Kombinationswirkstoffs gerichtet ist, trotzdem erst nach der Veröffentlichung der entsprechenden Studienregistrierung eingereicht, sollte man wiederum die Möglichkeit erwägen, Merkmale in den Anspruch aufzunehmen, die nicht in dieser Veröffentlichung erwähnt werden. Insbesondere sind solche Merkmale zu bevorzugen, die mit einem technischen Effekt assoziiert sind und einen effektiven Schutzumfang gewährleisten, wie z.B. Merkmale, die essentielle Bestandteile der Packungsbeilage sind.

4.3 Globale Patentstrategie

Diese Empfehlungen hinsichtlich einer frühzeitigen Einreichung der Patentanmeldung bzw. einer Fokussierung auf bisher unveröffentlichte Anspruchsmerkmale stehen im Einklang mit einer weltweiten Patentstrategie, die die Erfordernisse anderer Jurisdiktionen nicht vernachlässigen darf. Beispielsweise muss in den USA der therapeutische Effekt in einer Veröffentlichung nicht glaubhaft gemacht werden, damit diese für einen entsprechenden Anspruch als neuheitsschädlich gilt. Eine US-Patentanmeldung sollte folglich entweder vor der Veröffentlichung über die Durchführung einer entsprechenden klinischen Studie eingereicht werden, oder - wenn erst hinterher und nach Ablauf der Neuheitsschonfrist eingereicht wird - weitere Anspruchsmerkmale umfassen, die nicht vorveröffentlicht sind und zur Patentierbarkeit beitragen. Die erstgenannte Variante ist auch deswegen praktikabel, da das US-Patentamt weniger strenge Anforderungen hat, was das nachträgliche Einreichen von Daten anbelangt.

4.4 Regulatorische Exklusivität

Da es aus patentrechtlicher Sicht aufgrund der neuen Transparenzregeln keinen idealen Einreichungszeitpunkt mehr gibt (d.h. ein Einreichen mit den Daten aus der klinischen Studie bevor die Durchführung derselben veröffentlicht wird), wäre abschließend für Europa anzuregen, dass ein Ausgleich für die gestiegenen Patentierungsanforderungen geschaffen wird. Das könnte eine regulatorische Exklusivität für jede weitere Zulassung sein, die einer klinischen Studie bedarf - ähnlich der dreijährigen Exklusivität, die es in den USA unter dem Hatch-Waxman-Act für dieses Szenario gibt.

lorenz.kallenbach@merckgroup.com
marco.vallazza@merckgroup.com


Conclusion

New regulatory requirements, which demand the early registration and publication of clinical study designs, raise the bar for patenting pharmaceutical inventions. The particular challenge that an applicant faces depends on the filing date of the patent application (i.e., filing before or after the clinical study posting), whether the application is directed to a single agent or a combination product, and if a product or the medical use thereof is claimed.

Regarding single-agent drug products, preclinical data usually exists before a clinical trial is registered and will in many cases be required to sufficiently support patentability of an earlier filed patent application relating to the product or medical use thereof. If preclinical data is not available for the single-agent drug product, one should consider waiting for the clinical trial data before filing the patent application, as the clinical trial registration, which is devoid of this data, is a hurdle that in many cases can be overcome (especially if the claim is formulated as a medical use).

The situation tends to be different for combination products, which oftentimes lack preclinical data when a respective clinical trial is registered. Such lack of data, however, is not necessarily detrimental to the patentability of patent applications that are filed prior to the clinical-trial publication and are related to combination products or therapies, as long as at least one of the active pharmaceutical ingredients is already known (e.g., for the same medical use). Quite the contrary, it may be warranted to file such patent applications prior to the clinical trial registration even in the absence of supporting preclinical data, since a later filed application may not be patentable in view of the pre-published clinical trial registration and the pre-known active pharmaceutical ingredient(s).

Concerning patent applications relating to the medical use of a single-agent drug or combination product, which are filed after the clinical trial registration, patentability may be strengthened by including claim features that are not yet disclosed in the clinical trial registration and associated with a relevant technical effect. Ideally, such feature should also be an integral part of the drug label.

The authors' recommendation of filing early or relying on undisclosed features is in line with a global patent strategy, especially since the U.S. Patent and Trademark Office (USPTO) considers the study publication as novelty-destroying for a later-filed patent application, which relates to such subject-matter. In addition, the USPTO takes a lenient approach regarding the submission of data after the initial filing date, such as clinical trial data, to support non-obviousness.